Erster Warnstreik nach erneutem Scheitern der Tarifgespräche
Auch die jüngste Runde der Tarifverhandlungen für die Touristik ist gescheitert. Die Gewerkschaft Verdi hat daraufhin die rund 3.000 Beschäftigten in etwa 300 Dertour-Reisebüros und an den Dertour-Standorten in Frankfurt und Köln sowie Mitarbeiter von TUI 4U in Bremen für Mittwoch zu einem Warnstreik aufgerufen. Laut Dertour blieben die Auswirkungen überschaubar.
 
                                                    iStock filmfoto
Auch der jüngste Warnstreik dürfte keine große Bewegung in die aktuellen Tarifverhandlungen gebracht haben
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Angekündigt hatte Verdi den Warnstreik bei Dertour und TUI 4U für Mittwoch in der Zeit von 10 bis 12 Uhr. Als Grund gab Verhandlungsführerin Sonja Austermühle an, dass auch die siebte Verhandlungsrunde zwischen Verdi und der DRV-Tarifgemeinschaft "ohne ein annehmbares Angebot der Arbeitgeberseite" verlaufen sei.
Zum Streik selbst teilt Dertour auf Anfrage von Reise vor9 mit, daran hätten verteilt über die deutschlandweiten Reisebürofilialen sowie die Zentralen in Frankfurt und Köln rund 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter teilgenommen. Das entspreche etwa fünf Prozent der Belegschaft in Deutschland. "Durch die sehr geringen Teilnehmerzahlen kam es zu keinen Auswirkungen auf den Geschäftsbetrieb oder Kunden", erklärt das Unternehmen weiter.
DRV-T will weiter verhandeln
Die Tarifgemeinschaft reagierte auf den Streik gleichwohl verschnupft. Geschäftsführer Peter Hampel erklärte: "Wir finden es gelinde gesagt irritierend, dass wir, nachdem wir nach sieben Jahren wieder Tarifverhandlungen aufgenommen haben, eine solche Entscheidung von Verdi nicht persönlich übermittelt bekommen, sondern von deren Homepage erfahren. Unser letzter Kenntnisstand ist, dass wir am 17. Juli in Hannover trotz unseres nochmals verbesserten Angebots ergebnislos und mit unserem Vorschlag, zwei weitere Gesprächstermine noch im August zur Lösungsfindung zu nutzen, auseinandergegangen sind."
Darüber habe Verdi Anfang der Woche in einer Sitzung der Tarifkommission beraten wollen. "Letztlich werden Lösungen in Tarifkonflikten nur am Verhandlungstisch gefunden, wir fordern Verdi daher auf, auf unseren Vorschlag einzugehen", so Hampel. Die DRV-Tarifgemeinschaft stehe nach wie vor zu ihrem Gesprächsangebot, mit Verdi an zwei weiteren Terminen noch im August nach einer Lösung für die Tarifrunde zu suchen und hoffe auf eine Rückkehr an den Verhandlungstisch.
Verdi sieht das naheliegenderweise anders. "Die Arbeitgeberseite hat bisher nicht verstanden, wie ernst es den Beschäftigten mit ihren Forderungen ist. Deshalb wollen sie mit ihrem Streik ein klares Signal setzen", so Verhandlungsführerin Austermühle. "Für uns und die Beschäftigten ist völlig klar: Gehälter, die armutsgefährdend sind, sind keine Option! Wir erwarten hier ein Angebot, das deutlich Schritte in Richtung Ausgleich des erlittenen Reallohnverlustes geht."
Sechs Jahre ohne Einigung
Verdi und die DRV-T verhandeln derzeit nach sechs Jahren einen neuen Flächentarifvertrag in der Reisebranche. Aufgrund schon in den Jahren 2018 und 2019 geplatzter Gespräche und der dann anschließenden Pandemie war es zu einer langen Verhandlungspause gekommen. In Bezug auf die Gehaltstabelle von 2018 forderte Verdi daher eine nachholende Erhöhung aller Gehälter um 19,5 Prozent, mindestens aber 550 Euro brutto. Auch die Auszubildendenvergütungen sollen um 19,5 Prozent steigen.
Das jüngste Angebot der Arbeitgeber sah unter anderem eine Einmalzahlung von 400 Euro für Vollzeitkräfte vor, die nicht auf übertarifliche Leistungen angerechnet werden soll. Die Tabellenentgelte sollen ab September 2025 um 2,5 Prozent steigen, mindestens aber um 100 Euro. Zusätzlich bot die DRV-Tarifgemeinschaft eine weitere Erhöhung ab April 2026 um zwei Prozent an – sowohl für Veranstalter als auch für den Vertrieb.
Dazu kommen strukturelle Änderungen: Die Leistungszulage in Stufe 5 soll dauerhaft ins Grundgehalt überführt werden. Reiseverkäufer sollen höhergruppiert werden, Azubis ab September 2025 30 Euro mehr erhalten, ab April 2026 weitere 30 Euro. Auch eine erfolgsabhängige Zulage für den Vertrieb war Teil des jüngsten Pakets.
Keine Position der Stärke
Der jüngste Warnstreik deutet nicht darauf hin, dass eine baldige Annäherung beider Seiten in Sichtweite wäre. Zugleich zeigt die augenscheinlich geringe Streikbeteiligung die Schwäche der Arbeitnehmervertreter im Bereich der Touristik. Anders als etwa in der Luftfahrt oder bei der Bahn fehlt den Beschäftigten ein echtes Druckmittel, um ihre Forderungen durchzusetzen.
Aber auch die DRV-Tarifgemeinschaft agiert nicht wirklich aus einer Position der Stärke. Denn es ist unklar, wie viele Touristiker überhaupt unmittelbar in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Von den großen Veranstaltern ist lediglich die Dertour Group dabei, andere, wie TUI, haben ihre eigenen Haustarife. Die DRV-T lässt sich im Hinblick auf Zahlen und Namen der ihr angeschlossenen Unternehmen auf Anfrage von Reise vor9 nicht in die Karten blicken.
Christian Schmicke